Glücklich sein dürfen

Vor ungefähr einem Jahr machten wir Familienurlaub in Holland. Lotta war nach zweiwöchigem Krankenhausaufenthalt gerade wieder entlassen worden. Sie wollte nicht mehr essen und hatte sehr viel abgenommen. Aber jetzt ging es ihr endlich besser. An unserem zweiten oder dritten Urlaubstag ging ich morgens sehr früh mit ihr am Strand spazieren. Am Abend vorher hatte ich  erfahren, dass es meiner Oma sehr schlecht geht. Ich war nicht sicher, ob ich sie noch einmal sehen darf und hatte gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, dass ich vor dem Urlaub nicht nochmal bei ihr war. 

Ganz in Gedanken versunken traf ich André. Einen wildfremden Menschen, der fragte was mit mir und Lotta ist und der mir daraufhin seine Lebensgeschichte erzählte. Er erzählte von seiner kleinen Tochter, die jetzt im Himmel auf ihn und seine Frau wartet. Er sagte, dass wir uns alle irgendwann wieder sehen und in die Arme schließen können. Dieses Gespräch hat mir damals in zweifacher Hinsicht gut getan. Er tröstete mich mit seinen Worten und zeigte mir, dass wir glücklich sein können und dürfen auch wenn jemand fehlt. 

Wir kamen rechtzeitig zurück und ich blieb an dem Tag bis spät abends bei meiner Oma im Krankenhaus. Es war der letzte Tag an dem sie jemanden erkannt hat. Einen Tag später ist sie gestorben. 

Natürlich wusste ich nicht, dass ich den nächsten Urlaub ohne Lotta machen würde. Aber ich wusste, dass mich die Worte von André begleiten und irgendwann auch ein wenig trösten werden. Und das tun sie heute. 

Es ist 8 Uhr morgens. Gerade sitze ich mit einer Tasse Kaffee am Strand in Holland und denke an mein kleines Lottakind, die mir wohl gerade zuschaut wie ich den Sand durch meine Hand rieseln lasse. Wir haben hier zwei tolle Familienurlaube verbracht. Bin ich unglücklich? Nein, das bin ich nicht. Ich bin dankbar für viele schöne Erinnerungen und die Möglichkeit das Leben mit meiner kleinen Familie weiterhin zu genießen. Wir dürfen alle glücklich sein, auch wenn wir dich vermissen.

Eine Antwort auf „Glücklich sein dürfen“

  1. so schön geschrieben…ich bewundere Ihre Haltung zum Leben und Ihre Fähigkeit, Dankbarkeit zu empfinden und glücklich zu sein, mit dem Hier und Jetzt. Sie sind eine wundervolle Mutter.

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