Intensivstation und Hubschrauberflug

Vor drei Wochen machten wir uns noch Gedanken wie lange es wohl dauern würde bis Lotta ihren Mittagsbrei ist. Wir gingen in Gedanken die nächsten Monate meiner Elternzeit durch. Was machen wir wenn Lotta länger braucht als andere Kinder? Aufgrund ihres hohen Allergierisikos (Na gut, auch ein bisschen aus Bequemlichkeit ;-)) wollte ich auf keinen Fall auf Flaschennahrung umstellen. Wir planten Lottas ersten Kindergartentag und machten uns bezüglich Integrationsassistenten schlau.

Dann wurde alles andere zur Nebensache. Lotta hatte gerade eine vermeintliche Magen-Darm-Grippe überstanden und war fast wieder die „alte“. Wir waren so froh, dass wir es ohne Krankenhaus geschafft hatten.

Ich wurde Donnerstags morgens von Lottas jammern geweckt. Erstmal nichts ungewöhnliches. Als ich sie aber wie jeden Morgen begrüßte, bekam ich kein Lächeln zurück wie sonst. Sie starrte ununterbrochen nach oben rechts. Ich versuchte es mit Licht, mit einer Rassel. Nichts, der Blick blieb und sie ließ sich nicht beruhigen.

Ein Krampfanfall dachte ich mir. Irgendwann musste es kommen. Trotzdem machte es mir ein bisschen Angst, denn so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Auf direktem Wege fuhr ich zu unserer Kinderärztin. Mein Gedanke war, jetzt bekommt sie ein Zäpfchen, der Krampf löst sich und in den nächsten Tagen werden wir das kontrollieren müssen. Die Kinderärztin schaute sie an und schickte uns sofort in die Kinderklinik. Vorher telefonierte sie noch mit dem Oberarzt der Klinik und kündigte Lotta an.

– Liebe Frau Kinderärztin: Danke fürs Drücken und die tolle Betreuung! Wir sind sehr froh, dass es Sie gibt. –

In der Klinik wurde Lotta aufgenommen und direkt ein EEG geschrieben. In „Meilensteine…“ hatte ich von einem ganz lieben Neurologen des SPZ geschrieben. Es war beruhigend, dass er sich zusammen mit dem Oberarzt der Sache annahm. Ein MRT sollte nach dem Wochenende gemacht werden. Dann aber wurde alles ganz hektisch. Wir hatten für abends noch einen MRT-Termin erhalten. Ich bin nicht sicher wem wir hierfür danken können. Unserem Ärzte-Dreamteam, den Schwestern, dem Schicksal? Das MRT zeigte Veränderungen in vielen Bereichen des Gehirns. Möglicherweise Entzündungen. Einige Teile schienen bereits nicht mehr durchblutet zu sein. Lotta wurde auf die Intensivstation verlegt. Die Ärzte gingen immer sehr offen mit uns um, egal welche Nachricht sie für uns hatten. Dafür bin ich sehr dankbar. Uns wurde mitgeteilt, dass ein sehr schwerer Befund vorliege und nicht sicher sei wie es ausgeht oder auch welche Schäden Lotta davonträgt. Nicht nur ein Bereich des Gehirns sei angegriffen, sondern, was ungewöhnlich sei, viele. Wir versuchten gefasst zu sein. Wir wussten ja, dass irgendwann der Tag kommen würde, aber doch nicht jetzt schon?

Da nicht klar war was es ist und woher es kommt, wurde Lotta isoliert und bekam eine Menge Medikamente. Acht Perfusoren (große Spritzen mit Medikamenten) waren irgendwann im Einsatz. Sie wurde per AEEG überwacht. Ähnlich wie ein EEG. Nur werden beim AEEG dünne Nadeln unter die Kopfhaut geschoben, um die Hirnströme zu messen. Lotta bekam weitere Krampfanfälle, anders als vorher. Krampfanfälle wie man sie sich vorstellt. Gleichmäßiges Zucken der Arme und Beine, Schaum vor dem Mund, schmatzen. In den Phasen der Krampfanfälle benötigte sie Sauerstoff.

Am nächsten Tag wurde ihr ein zentraler Venenkatheter in die Leiste gelegt. Da sie so viele Medikamente benötigte, ihre Venensituation sowieso nicht gut war und damit man im Notfall schnell reagieren könnte. Die zwei Zugänge am Kopf reichten nicht aus. Das Ganze dauerte inklusive Röntgenaufnahme zur Kontrolle zwei Stunden!

Lotta wurde in der ganzen Zeit nicht mehr richtig wach. Klar, sie bekam ja auch immer mal wieder etwas. Zumindest wollten wir das glauben. Die Ärzte telefonierten währenddessen verschiedene spezialisierte Kliniken ab und holten sich Zweitmeinungen ein. Sie wollten Lotta verlegen, um ihr die bestmögliche Behandlung zu bieten. Am nächsten Tag war es soweit. Lotta sollte mit einem Krankenwagen inklusive Notärztin in eine Uniklinik verlegt werden. Ein mehrköpfiges Team stand bereit, da wurde entschieden sie mit einem Hubschrauber zu fliegen. Die Fahrt sei zu lang und das Risiko zu groß. Ein neues Team wurde angefordert, ein anderer Notarzt. Ich kann den Moment und meine Gefühle kaum beschreiben, als Lotta eingepackt wurde mit mehreren Perfusoren, fremden Menschen (auch wenn sie sehr nett waren) in Schutzanzügen, weil noch nicht sicher war ob vielleicht Bakterien der Auslöser sind und plötzlich aus dem Zimmer geschoben wurde. Aber nachdem Juli und ich den ersten Schock überwunden hatten, glaubten wir nicht daran, dass Lotta es nicht schaffen würde. Trotzdem wurde mir in der Situation bewusst wie ernst es ist und die Angst meine Kleine zu verlieren wurde größer.

Wir packten alle Sachen zusammen und verließen das Krankenhaus. Anstatt direkt in die ca. eine bis eineinhalb Stunden entfernte Uniklinik zu fahren, machten wir einen Abstecher nach Hause. Auch wenn es seltsam war. Es tat gut nach Hause zu kommen und den Großen zu sehen. Mit ihm zu kuscheln und ihm etwas vorzulesen. Eine halbe Stunde Auszeit von Krankenhaus und Intensivstation. Ein bisschen Normalität. Wir erklärten dem Großen, dass es Lotta nicht gut geht und sie mit einem Hubschrauber in ein anderes Krankenhaus geflogen wurde. Sein erster Gedanke: „Alleine?“ Wir erklärten ihm das nette Ärzte bei ihr seien die sich um sie kümmern und ich nun einige Zeit mit Lotta im Krankenhaus sein werde. „Arme Lotti“ sagte er, drückte mich, gab mir einen Kuss und noch vier für Lotta. Dann fuhren wir los.

5 Antworten auf „Intensivstation und Hubschrauberflug“

  1. Ihr lieben mir fehlen immer die Worte und wenn ich das lese was du schreibst liebe Steffi,laufen die Tränen weil ich euch einfach bewunder wie ihr damit umgeht,ich war in Gedanken oft bei euch und habe auch immer ein kerzchen angemacht,ich drück euch ganz fest das es der kleinen Maus bald viel besser geht,liebe Grüße Marion und Norbert 💕💕

  2. Auch ich kann nur sagen: Hut ab, wie ihr es schafft, mit solchen Situationen umzugehen und auch noch darüber zu schreiben! Behaltet euch bitte die positive Grundeinstellung – ich bin fest überzeugt, dass genau diese Haltung Lotta sehr gut tut!

  3. Mann mann ich hab pipi in den Augen .
    Für mich ist es schwer die richtigen Worte zu finden , die sich nicht wie Floskeln anhören .
    Ich hoffe es wird alles gut ,ihr seit stark und Tapfer . Jetzt ist Lotta keine Pusteblume, sondern ein Löwenzahn der sich immer überall durchkämpft um zur Sonne zu kommen.
    Ich drück euch allen die Daumen das ihr bald wieder zusammen seit. Ihr schafft das !!!

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