Endlich wieder (fast) zuhause

Dann war es soweit. Ein Intensivtransport der örtlichen Feuerwehr samt Notarzt holte uns ab. Lotta wurde verkabelt, das Notfallmittel eingepackt und samt Maxi Cosi auf die Trage geschnallt. Während wir durch die Klinikflure fuhren, wurde ich immer wieder mitleidig angeschaut, ganz nach dem Motto „Das arme Kind, die arme Mutter!“ Ich aber strahlte, denn die Vorfreude darauf bald wieder (fast) zuhause zu sein war riesig. Auch wenn ich die Blicke nachvollziehen kann. Es sieht schon erschreckend aus, wenn Notarzt und zwei Rettungsassistenten mit Kitteln, Handschuhen und Mundschutz auf einer Trage mit viel technischem Equipment ein Kind wegbringen. „Wir fahren erst mal so, wenn Stau ist, nutzen wir Sonderrechte!“ hörte ich den Notarzt sagen. Ich durfte mit hinten sitzen und hatte so Lotta die ganze Zeit im Blick. Meine Sorge, dass sie während des Transports einen Anfall bekommt war groß, stellte sich aber als unbegründet heraus. Je schneller wir fuhren und je lauter es wurde, desto entspannter wurde Lotta. Sie schlief sogar fast ein.

Mittlerweile sind wir nun wieder seit einer Woche in unserem Krankenhaus. Lottas Medikamente wurden weiter erhöht, weil sie nochmal gekrampft hat. Unser Neurologe hat sich in den Urlaub verabschiedet, aber vorher lange mit uns gesprochen und an seinen Kollegen übergeben. Er sagte, dass wir/sie sehr viel Glück gehabt haben. Es war sehr knapp und Lotta hätte jederzeit sterben können. Jetzt müssen wir erstmal warten bis die Wunden verheilt sind, das alte Blut im Kopf und alles was da nicht hingehört abgetragen ist und die „Narbe“ die sich dort bildet weniger wird. Wir brauchen Geduld und es kann auch während des Heilungsprozesses immer wieder zu Krämpfen kommen. Er hat es mit normalen Wunden verglichen, die ja auch ca. vier Wochen zum Verheilen brauchen und die danach entstandene Narbe ist dann auch nicht wie die gesunde Haut. Lotta hatte Besuch von den Klinik-Clowns und hat sich kurzzeitig vom Weinen ablenken lassen.

Ansonsten wurde ein normales und ein „Spontan-Schlaf-EEG“ geschrieben. Während das normale noch sehr sehr langsam aussah, was der nette und lustige Neurologe (ich nenne ihn mal) Nummer zwei zunächst auf die Entzündungen im Gehirn zurückführte, sah das Schlaf-EEG schon besser aus. Vermutlich war die Aktivität aufgrund des vorherigen Anfalls verlangsamt. Darüber habe ich mich total gefreut, denn bei Lotta ist es manchmal nicht einfach einen Anfall zu erkennen bzw. zu anderen Bewegungsstörungen abzugrenzen. Doch das EEG bestätigte, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anfall war. Und ich habe ihn erkannt 😊 Ansonsten habe ich das Thema Schlucken nochmal angesprochen. Lotta wird seit der Intensivstation sondiert und schafft es nicht zu saugen. Sie verschluckt sich oft und speichelt viel. Eine Logopädin wird sich das mal anschauen, in der Hoffnung, dass das vielleicht was bringt. Eventuell ist die Schluckstörung nämlich auch auf die Schädigungen im Gehirn zurückzuführen, weil der Teil der alles Unbewusste regelt sehr angegriffen war. Das ist abzuwarten.

Was Lotta kann oder nicht oder auch wieder lernen wird, wird sich zeigen. Am Anfang geht die Lernkurve steiler, danach flacht sie ab. Diese Woche wird ein weiteres MRT gemacht, damit man die Dynamik der Erkrankung einschätzen kann. Dafür wird Lotta wieder sediert. Wir sind sehr gespannt. Eine Entlassung ist Ende dieser Woche geplant, dann erstmal mit Magensonde.

Einige haben gefragt wie es dem Großen geht. Wie verkraftet er es? Er ist ok. Der Große ist gerne woanders, bei Oma und Opa, Tante und Onkel, Patenonkel usw. Er genießt die Aufmerksamkeit und weiß die Situation auch manchmal für sich zu nutzen 😉. Trotzdem war es ein ganz besonderer Moment, als wir uns nach zwei Wochen endlich wieder in die Arme schließen konnten. Der Große und ich gingen auf den Spielplatz und ich machte alles was er wollte. Wir kletterten in jede Öffnung, spielten Pirat auf dem Piratenboot, rutschten zusammen die Rutsche hinunter, liefen durch den Irrgarten und machten Picknick im Kinderspielhaus. Danach gingen wir noch ein Eis essen. Es war sehr schön. Nachdem wir zurück im Zimmer waren, kam ein Arzt herein. Augenblicklich nahm der Große seine Großer-Bruder-Verteidigungshaltung an und stellte sich beschützend vor Lotta. Es hat sich nichts geändert…

Am Sonntag haben Oma und Opa dann auf Lotta aufgepasst und wir drei sind zusammen ins Kino gegangen. Der Große und ich haben den ganzen Film über gekuschelt. Das hat uns beiden sehr gut getan.

Der Große weiß übrigens Bescheid. Natürlich hat er von der ganzen Dramatik nichts mitbekommen. Juli hat ihm jedoch erklärt, dass es einen Unfall in Lottas Kopf gab und einige Häuser eingestürzt sind, die dafür da sind, dass Lotta Dinge kann wie beispielsweise Greifen. Wir wissen noch nicht, ob die Häuser wieder aufgebaut werden können. (Ihr erinnert euch an die Autos, die einen Umweg fahren müssen wegen der fehlenden Brücke?) Aber das ist auch gar nicht schlimm, denn dafür hat Lotta uns. Dann müssen wir ihr einfach eine Rassel vor die Nase halten.

Das war für den Großen alles sehr plausibel und prompt wurde Lotta als Wikinger verkleidet. Begeisterung sieht anders aus. Das Bild spricht Bände. 😃

2 Antworten auf „Endlich wieder (fast) zuhause“

  1. Liebe Steffi,

    Respekt, dass du es schaffst, den Lotta-Blog weiter zu führen. Vielleicht ist es aber auch wie eine Therapie, die dich und deine Familie diese gesundheitlichen Probleme bewältigen lässt. Lotta ist eine echte Kämpferin und ich drücke euch die Daumen, dass ihr auch das Handling der Magensonde in den Griff bekommt.
    Alles Liebe für euch!

    Ulla

  2. Hallo Steffi und Julian,
    Ich bewundere eure Kraft und wünsche Euch für die Zukunft, das ihr eure Zuversicht behaltet. Mir ist nochmals bewusst geworden, das es nicht selbstverständlich ist, das immer alles glatt läuft im Leben , aber es ist einfach phantastisch wie ihr die Situation meistert. Ruth

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